Super Märkte! in Rumänien

Märkte in Cluj-Napoca

barbara_4

Tandemprojek der Universität Regensburg 2012

Kann man in einer Woche einen Einblick in die rumänische Kultur bekommen? Wo gibt es ein Treffen von unterschiedlichen Bevölkerungsschichten? Dieser Frage ist Barbara Standke während demTandemprojekt der Universität Regnsburg nachgegangen und hat sieben Tage auf Märkten in Rumänien recherchiert. Der Bericht ist eine Ländererfahrung, der alle Sinne anspricht.

 

 

Grün wie Salat, Süss wie Honig

Wo trifft sich das alltägliche Leben besser als auf geschäftigen Märkten? Alle fünf Sinnesorgane werden an diesen Orten beansprucht. Die ganze Farbpalette lässt sich anhand der Waren studieren. Das saftige Rot der Radieschen, an denen noch die nasse Erde haftet, das frische Grün der Salatblätter, das unscheinbare Weiß von Sellerieknollen und das Licht, das sich im bernsteinfarbenen Honig bricht. Der Geruch wechselt je nach Lage. Am Kartoffelstand riecht es nach staubiger Erde, bei den Äpfeln ist fast ein Geruch nach Most zu bemerken, so überreif sind die Früchte. Zu hören ist das erschöpfte Gemurmel der Marktverkäufer untereinander und das laute Feilschen um den Preis, den der Kunde partout als zu teuer einschätzt. Aber das, was den Marktbesuch so eindringlich macht, sind die vielen Geschmäcker, die man davor teilweise noch nicht kannte. Jeder Verkäufer hat von seinen Ware Essproben vorbereitet. So hat der Markt in Cluj-Napoca den Geschmack von würzigem Käse, saftigen Winterbirnen und süßem Honig.

Carrefour trifft auf Marktkultur

Den ersten Markt besucht meine Tandempartnerin Kinga mit mir am Nachmittag. Es handelt sich um den Zentrumsmarkt, der als meistbesuchter und günstigster der Stadt gilt. Wir folgen lange Schildern, die uns zu der französischen Supermarktkette „Carrefour” weisen. Der Eingang zum Markt wird ebenfalls mit dem plakativen Schriftzug von Carrefour gerahmt. Nur ein kleines Schild rechts oben verrät, das hier auch der Ort des täglichen Marktes ist. Wir Marktbesucher müssen eine scharfe Rechtskurve einlegen um den Rolltreppen, die eine Etage weiter runter zum Supermarkt führen, doch noch zu entkommen. Dies geschafft, erstreckt sich vor uns ein Hallenmarkt, der voll mit Waren und Leuten ist. Durch die späte Tageszeit wirken die meisten Verkäufer erschöpft, die Waren jedoch machen alles in ihrer Frische wett. Die Meisten verkaufen hier die Ware aus ihrem eigenen Anbau. Oft steht die ganze Familie dahinter, und alle helfen bei der Ernte und beim Verkauf mit. So erzählt uns eine ältere Verkäuferin, dass sie jeden Tag nachmittags bis abends verkauft und ihr Mann jeweils den Vormittag übernimmt. Die Kinder helfen zu Hause am Hof mit, jedoch sind die Älteren eher mit ihrem Studium beschäftigt. Ein Verkäufer am Nebentisch schaltet sich in das Gespräch ein, dass die meisten Jugendlichen ihr Leben nicht mehr am Hof der Eltern auf dem Land sehen. Sie gehen vorzugsweise in die Stadt zum Studieren und suchen dann eine Arbeit, die ihrem Studium entspricht. Dieses Bestreben, in der Stadt Arbeit zu finden, wird aber nicht von der hiesigen Arbeitsplatzsituation gedeckt. So fehlen seiner Meinung nach auf dem Land Arbeitskräfte und in der Stadt Arbeitsplätze. Überhaupt fehle es in Rumänien an Eigenproduktion. Es werden mehr Waren eingekauft als selber produziert. Einen eigenen Hof zu haben und dort Sachen anzubauen, sieht er eher als eine Unterstützung für die Wirtschaft in Rumänien, als der Import von ausländischen Produkten. Seine Sichtweise wurde aber nur im Kommunismus unterstützt, dessen Zeit er auch sehr kritisch sieht. Jedoch wurden damals die Landarbeiter gut entlohnt. In der heutigen Zeit ist Carrefour ihr Konkurrent. Der Supermarkt hat erst im September 2011 neben dem Markt eröffnet, und die Auswirkungen auf das Geschäft der Landwirte sind deutlich zu spüren. Obwohl die Leute wissen, dass die Waren auf dem Markt qualitativ hochwertiger sind und regional, lassen sie sich vom prallen Glanz der Waren im Carrefour blenden. Doch anscheinend lohnt sich dennoch der Arbeitsweg vieler Marktverkäufer von jeweils eineinhalb Stunden vom Land in die Stadt, um ihre Waren anzubieten.

barbara_3

Beim Vorbeigehen an einem Apfelstand spricht uns eine Verkäuferin an, da sie sich wundert, heute so viele junge Kunden zu sehen. Sie arbeitet schon seit zwanzig Jahren hier, und wenn sie mehr als zwanzig junge Leute am Tag sieht, ist dies schon sehr viel. Auf die Frage, was sich in den letzten zwanzig Jahren am Markt verändert hat, antwortet sie, dass die Regelungen von Seiten der EU immer strenger werden. So befand sich früher der Großteil des Marktes draußen und wurde auch reger besucht als der heutige Hallenmarkt. Und natürlich hat sich die Eröffnung von Carrefour auf die Nachfrage der Marktprodukte ausgewirkt.

Durch die Ausführungen der Frau angeregt, sehe ich mir die Marktbesucher ebenfalls genauer an. Tatsächlich prägen eher Rentner das Bild als Leute, die nach der Arbeit hier ihren Einkauf erledigen. Junge Erwachsene sehe ich auf den ersten Blick überhaupt nicht. Ich spreche eine junge Frau an, die gerade an einem Stand Gemüse eingekauft hat. Es stellt sich heraus, dass sie 23 Jahre alt ist und Architektur studiert. Ich frage sie nach dem Grund ihres Einkaufes und sie sagt, dass sie extra aus einem anderen Stadtteil von Cluj hierher fährt, um frisches Gemüse und Obst einzukaufen. Ihr ist es wichtig, sich gesund zu ernähren und regionale Produkte einzukaufen. Außerdem sei der Salat sogar günstiger als im Supermarkt, und er halte sich auch länger frisch. Ich frage, ob auch ihre Freunde hier einkaufen, und sie schüttelt lachend den Kopf: „Nein, wenn ich ihnen erzähle, dass ich extra hierher fahre um einzukaufen, lachen meine Freunde mich eher aus.“ Bequemer und preiswerter erscheinen ihnen die Supermärkte.

Dort, wo der Honig fließt

Ein paar Reihen weiter schillert der Honigstand in unterschiedlichen Bernsteinfarben. Die Schattierungen reichen vom hellen Gelb des Lindenblütenhonigs bis hin zum kräftigen Braun des Akzienhonigs. Hinter den akkurat aufgetürmten Honiggläsern sitzen drei ältere Frauen, die gutmütig durch ihre großen Brillengläser schauen. Die eine Frau redet auch sogleich mit mir auf Deutsch, das weitestgehend akzentfrei ist. Sie habe es in der Schule gelernt und meint von sich selber, dass sie es leider nicht gut kann. Sie wechselt über in ein wohlklingendes British-English, was sie auch nur an der Schule gelernt habe, was ihr aber leichter falle. Ich werde nun in die Grundlage der Honig- und Bienenkunde eingeführt.

Ihr Mann sei Imker und sie verkaufe seinen Honig. Ich bekomme auch von jedem Glas eine Kostprobe und kann gar nicht sagen, welches besser schmeckt. Jede Sorte hat ihren eigenen Geschmack. Ich frage, ob ihr Beruf nicht anstrengend sei, den ganzen Tag hier zu sein, und das die ganze Woche über. Sie schmunzelt und meint, dass sie sich, wenn sie hier verkauft, gerne an die Zeit der Akazienhonigernte erinnert. Jedes Jahr fährt sie mit ihrem Mann, ihren Kindern und den eigenen Bienen für drei Wochen an die rumänisch-ungarische Grenze. Dort erstrecken sich dichte Akazienwälder. Der Transport der Bienen ist schon an sich immer aufregend. Sie können die Bienen nur während der Nacht verlagern und müssen den Transport tagsüber unterbrechen, da die Bienen sonst sterben würden. Wenn sie dann dort ankommen, treffen sie ebenfalls auf andere Imker, die dort ebenfalls Akazienhonig herstellen. Die Campingwägen der Imker erstrecken sich auf eine Länge von hundert Kilometern. Es sei unbeschreiblich schön, diese Wochen mit ihrer Familie und den anderen Imkern im Wald zu verbringen. Die Landschaft dort sei wunderschön, und es werde zusammen am Lagerfeuer gesessen, Lieder gesungen und Geschichten erzählt. Wenn ich mich einmal im Mai in Rumänien befinden sollte, solle ich ihr unbedingt eine Email schreiben, dann könne ich gerne auch die Wälder und die Imker kennen lernen. Und sogleich zuckt sie ihre Visitenkarte heraus und schreibt mir ihre Email und Facebook Adresse auf. Auf die letztere sei sie besonders stolz, da sie dort Bilder ihrer Bienenvölker rein gestellt habe. So hätten die Kunden einen persönlichen Bezug zu dem Honig und wüssten auch ganz genau, woher er kommt. Ganz beeindruckt von dem vielen traditionellen Wissen und von der älteren Dame, die doch ganz mit der Zeit geht, nehme ich mir vor, sicher wieder nach Rumänien zu kommen, und das vielleicht sogar im Mai.

Tradition ganz legal?

Im letzten Gang befinden sich zwei ältere Männer die mich sehr neugierig mustern. Ebenfalls neugierig betrachte ich die Ware, die sie feil geben. Es sind verschiedene handgefertigte Holzgegenstände. Löffel in allen Größen sind aufgestellt, dazwischen geschnitzte Flöten in rot und blau. Kleine Fässer runden das Bild ab. Die Männer erzählen bereitwillig, dass schon ihre Urgroßväter diese Gegenstände selber gemacht haben und sie sich in einer langen Tradition von Holzschnitzern sehen. Ihre Kinder helfen auch mit, und so gehe das Wissen um das Holz nicht verloren. Auf die Frage, woher sie das Holz haben, antworten sie gut gelaunt, dass sie es sich aus den naheliegenden Wäldern holen. Ob dies legal sei, brauche ich nicht zu fragen, denn meine Tandempartnerin klärt mich schon über das Gegenteilige auf.

Wo Altes zum Neuen wird

barbara_2

Schon an meinem ersten Tag in Cluj hat mir Kinga von einem Flohmarkt erzählt, der jeden Samstag am Rande der Stadt stattfindet. So musste ich meine Vorfreude sechs Tage walten lassen, ehe wir den Markt besuchen konnten. Wir stiegen in einen Bus voller Leute, die das gleiche Ansinnen hatten wie wir. Beim Aussteigen befanden wir uns in einer Menschenmenge, die uns in Richtung Flohmarkt drängte. Es roch von fern her schon nach Gegrilltem, und einzelne Verkäufer saßen schon lange vor dem eigentlichen Eingang mit Waren auf der Straße. Hatte man auch nicht die Absicht etwas einzukaufen, so war es allein schon ein Erlebnis, das Gewühl von Menschen und angebotenen Sachen zu sehen. Man bahnte sich den Weg von einem Berg von alten Rucksäcken und Taschen zu einem nächsten Berg an Schuhwerk und Kleidung. Zwischendrin erblickte man ein verängstigtes Kaninchen, zwei Hennen in einem Hamsterkäfig, Maschinen, Spielwaren und noch nie zuvor Gesehenes. Belustigt bleibe ich vor einem Verkäufer stehen, der gerade einen Ski auf dem Kinn balanciert. Die Waren hatte er mit seiner Freundin um einen VW- Bus herum drapiert. Beide sind Studenten aus Cluj und betrachten den Verkauf gebrauchter Sachen auf dem Flohmarkt als guten Nebenverdienst. Nicht nur selbstgemachte Ohrringe konnte ich mir dort erstehen, sondern auch gute Tipps, was man alles in Rumänien sehen müsse. Dazu gab man mir die Adresse eines Künstlers, der sich immer über ausländische Besucher in seinem Dorf freue. Als glückliche Besitzer neuer alter Dinge verlassen wir den Flohmarkt in einer Menschentraube in Richtung Stadt.

Eine Woche in Cluj reicht nicht annähernd aus, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was es heißt, in Rumänien zu sein. Mein Themengebiet hat es mir jedoch ermöglicht, mit verschiedenen Menschen in Kontakt zu treten und persönliche Gespräche zu führen. Die Antworten, die ich bekam, gingen weit über das Gefragte hinaus, und das hier Aufgeschriebene ist nur ein Bruchteil des Erfahrenen. Wer auch immer sich auf Märkten verliert, er wird die Gesichter und Geschichten des jeweiligen Landes in Erinnerung behalten.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert